KULTURWOCHE | 24 November 2018

Katharina Hoi has reviewed Artificial Paradise for Kulturwoche, a group show at the KM Künstlerhaus featuring work from Olga Fedorova, writing that the lenticular prints “appear three-dimensional due to the tilting effect” (article in German).


Artifizielle Welten der Zukunft

By Katharina Hoi

Faktische Wirklichkeit und virtueller Raum. In der Mitte: Das heutige Individuum, das die Grenzen zwischen diesen beiden Welten zusehends mehr und mehr verschwimmen lässt. In Kooperation mit steirischer herbst widmet sich das Künstlerhaus, Halle für Kunst und Medien in der Ausstellung “Artificial Paradise” dem virtuellen “Take-Over” unseres Alltags. Unter Kurator Jürgen Dehm wurden für die Ausstellung Arbeiten von 12 internationalen Künstler/innen vereint, die auf eine artifizielle Reise Richtung Zukunft entführen.

Überwachung und “Asymmetric Love”
Sowie das Betreten des Künstlerhauses erfolgt, vollzieht sich sogleich der Akt der Immersion. “Überwacht” von den Kameralinsen der Installation “Asymmetric Love” des Künstlers Addie Wagenknecht wird im Zuge der VR-Installation “Du musst dein Leben ändern” von Manuel Roßner mittels VR-Brille vom klassischen in den digitalen Ausstellungsraum gewechselt. In seiner Neuproduktion lässt Roßner die Veränderung der räumlichen Wahrnehmung in der virtuellen Welt erfahren und eröffnet eine künstliche Galerie. Vorbei an den Lentikular-Drucken [auch Linsenrasterbild; Anm.] “Body Positive” von Olga Fedorova, die durch gegebenen Kippeffekt dreidimensional anmuten, schreitet man weiter in den Hauptraum der Ausstellung, wo der Blick auf eine weitere Konstruktion Wagenknechts gelenkt wird. Bei “XXXX.XXX” reihen sich fünf Schaltplatten an der Wand, die durch eine Unzahl von Kabeln miteinander verbunden sind. Wagenknecht weist hier auf die vernetzte Welt und den sich stetig im Umlauf befindenden Datenaustausch hin.

Illusorische Wirklichkeit im virtuellen Raum
Die beiden Hauptinstallationen im Erdgeschoss der Ausstellung gestalten sich in den Arbeiten von Banz, Bowinkel und Dannert. In der Mitte des Raums wartet mit “Palo Alto” eine weitere VR-Station. Die Besucher/innen finden sich nach Aufsetzen der Brille auf einem eigens von Banz & Bowinkel entworfenen virtuellen Plateau wieder, auf dem sie sich frei bewegen und neben vorbeischreitenden Avataren die Umgebung erkunden können. Durch die einzigartige VR-Technik wird ermöglicht, die illusorische Wirklichkeit körperlich erfahrbar zu machen und für ein überaus reales Erlebnis zu sorgen, das nach Absetzen der Brille räumliche Neuorientierung zur Folge hat. Die zweite ins Auge stechende Arbeit ist “cut-out” von Frauke Dannert. Die begehbare Installation aus blauer und weißer Farbe vermittelt bei Betreten den Eindruck, als Person in den Raum gezogen zu werden und täuscht auf eine wesentliche Veränderung der Dimension hin. Es geschieht ein nahtloser Übergang von der einfachen Fläche in den Raum.

Same same but different
Im Untergeschoss der Ausstellung nimmt Marc Lees Installation “10000 Moving Cities – Same but Different” mit auf eine Reise um die Welt, im Zuge derer bekannte Städte anhand der in sozialen Netzwerken wie Instagram oder Facebook geposteten Informationen neu konstruiert und somit auf einer virtuellen Ebene einsehbar gemacht werden. Zum Manövrieren wird lediglich ein Smartphone benötigt, das über die mobile App verbunden ist und so die digitalen Neuigkeiten vermittelt. Lees Arbeit verweist auf die “Doppelexistenz” der Welt, die sich faktisch und real aber auch gänzlich im digitalen Kleid zeigt, wodurch eine Eigendynamik der digitalen Urbanisierung und eine starke Vernetzung entsteht.

Artificial Paradise?
Die Ausstellung fußt auf der zentralen Frage, welche Ansätze Künstler/innen jüngst vorlegen, “die Grenze zwischen faktischer Wirklichkeit und virtuellem Raum zu überwinden”. Beginnend bei einfacher Landschaftsmalerei und lediglich gedanklichem Einfühlen ist es heute durch die Errungenschaften der Technik möglich, in Konzepten der Virtual Reality einen wirklichkeitsnahen Eintritt in artifizielle Welten zu modellieren. An Programme von vorangegangen Ausstellungen anknüpfend erfolgt auch in “Artificial Paradise” eine Auseinandersetzung mit neuen Medientechnologien in der Kunst. Das zugrundeliegende Konzept der vereinten Arbeiten formuliert mögliche artifizielle Welten, die noch in der Zukunft auf das Errichten warten, jedoch schneller aufgebaut sein könnten, als imaginiert werden möchte.

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