GALLERYTALK | 26 August 2020

Gallerytalk has interviewed Stine Deja about the impact of technology on our day-today emotions, coinciding with her feature in the group show Real Feelings at HeK, Basel (article in German).


No hard feelings, Stine Deja  
Technologie und Emotionen im HeK Basel #1

By Anna Meinecke

In unserer Interview-Reihe “No hard feelings” sprechen wir mit Künstlerinnen, deren Arbeiten im Rahmen der Schau im Haus der elektronischen Künste zu sehen sein werden. Wir wollen wissen, wie kritisch sie Technik gegenüberstehen und wieweit sie sich in ihrem künstlerischen Schaffen, aber auch privat von ihr abhängig machen.

gallerytalk.net: Was sind ganz grundsätzlich deine Gefühle gegenüber Technologie?
Stine Deja: Ich habe gemischte Gefühle, aber im Grunde sind es positive. Es ist offensichtlich, wie sehr ich persönlich und andere mit einem ähnlichen Lebensstil rund um die Uhr abhängig von Technologie sind. Technologie erleichtert viele langweilige Tätigkeiten. Sie ist ein wichtiger Aspekt meines künstlerischen Schaffens. Und sie hilft mir, mit meiner Familie in Kontakt zu bleiben, die in einem anderen Land lebt als ich. Ich mache mir allerdings manchmal Sorgen, dass ich mich aufgrund von Technologie zunehmend für Komfort entscheide und dass das zulasten anderer Dinge geht. Ich liebe es zum Beispiel, mich in einer neuen Stadt zu verlieren. Aber wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht einmal, wie lange es her ist, dass ich das zuletzt zugelassen habe.

Wann hat Technologie deine Emotionen einmal direkt beeinflusst?
Als Amazon den AI-Speaker Alexa herausgebracht hat, habe ich ihn mir direkt gekauft. Das war Teil meiner Recherche für Marie Munks und meine Ausstellung „Synthetic Seduction“ bei Annka Kultys in London. Ich hatte den Speaker eine Weile zuhause installiert. Mir ist dann aber schnell aufgefallen, dass er mich belauscht. Alexa hat Audio-Dateien gesammelt – von allem, was ich je gefragt hatte, aber auch von anderen Dingen. Ich hatte kein gutes Gefühl dabei, dass Sounds aus meinem privaten Raum bei Amazon gespeichert sind. Vermutlich geht es ihnen darum, mir gezielt andere Konsumprodukte vorzuschlagen. Ich weiß schon, dass das Google und andere auch machen. Aber kurze Audio-Clips meiner eigenen Stimme zu hören, ist mir nochmal anders nahe gegangen.

Wahr oder falsch, dass Technologie uns Menschen einander näherbringt?
Beides. Technologie ist ein großartiges Hilfsmittel, um Kontakte aufrecht zu erhalten. Sie erlaubt es uns, unsere Präsenz auf viele Orte zugleich auszudehnen – entgegen der Beschränkungen unseres physischen Körpers. Gleichzeitig sind riesige Teile der Weltbevölkerung vom Zugang zu Technologie abgeschnitten oder ihnen ist dieser Zugang erschwert. Im besten Fall stellt Technologie eine Alternative aber keinen 1:1-Ersatz für echte Intimität da.

Wahr oder falsch, dass sich Emotionen leichter via Bildschirm zeigen lassen?
Falsch – jedenfalls bei Zoom, Facetime, Skype und dergleichen. Die non-verbale Kommunikation ist schlechter zu erkennen. Man erlebt nicht die volle Körpersprache der anderen Person, sondern meist eine sorgfältig ausgewählte Ansicht von deren Gesicht und Umgebung. Ich empfinde es außerdem als unangenehm und ablenkend, dass mir mein eigener Anblick permanent präsent ist. Es ist ein bisschen, als würde man sich mit jemandem unterhalten, der eine verspiegelte Sonnenbrille trägt.

Zur Ausstellung “Real Feelings” hat du das Video „Foreigner“ beigesteuert. Zu sehen ist ein Roboter, der von der Suche nach der Liebe singt. Wie denkst du über künstliche Empathie?
Ich habe da noch viele Fragen. Ob und wie das tatsächlich funktioniert? Und wie es sich für mich anfühlen würde? Ich würde es eines Tages gern erfahren! In Bereichen wie dem Gesundheitswesen wäre künstliche Empathie ein enormer Gewinn. Schließlich fehlt es dort immer an Personal. Ich habe auch mal gelesen, dass Artificial Intelligence dazu genutzt werden kann, Selbstmorde bis zu zwei Jahre im Voraus vorauszusagen. Es werden unter anderem Gesundheitsdaten der Patient*innen ausgewertet. Potenzial besteht wohl auch bei Chatbots. Die Hypothese ist, dass Menschen sich dabei mehr öffnen – weil sie wissen, dass ein Roboter sie nicht verurteilen wird.

Es besteht noch immer ein gewisses Misstrauen gegenüber dem Einsatz moderner Technologie in der Kunst. Manche sehen das als Spielerei. Wie stehst du zu dieser Art Kritik?
Ich halte es für eine ziemlich konservative Sichtweise. Die meisten künstlerischen Strömungen waren zu Anfangs harschem Gegenwind seitens des Mainstreams ausgesetzt. In meinen Augen sind großartiger Kunst in ihrer Form keine Grenzen gesetzt. Mir bereitet es gleichermaßen Freude, klassische Kunst zu betrachten, wie wenn ich mir ein Video in 4K-Auflösung anschaue, dass über einen Screen abgespielt wird, der von der Decke hängt. Zählen sollte, was Kunst in einem auslöst. Wenn Kunst die Gegenwart aufgreift, ist das doch nicht gleich eine Spielerei.

Werden wir in der Zukunft andere Wesen sein? Und wenn ja: Welche Rolle wird Technologie darin gespielt haben?
Wir haben uns bereits verändert. Mir fällt es schwer, eine Abgrenzung vom Jetzt vorzunehmen, als sei die Zukunft nicht längst in Bewegung. Die Menschheit wurde längst ins kalte Wasser technischer Intervention geworfen. Das bedeutet, dass wir uns schon heute permanent verändern.

WANN: Die Ausstellung “Real Feelings” eröffnet am Donnerstag, den 27. August. Sie ist noch bis zum 15. November zu sehen.
WO: Haus der elektronischen Künste Basel, HeK, Freilager-Platz 9, 4142 Münchenstein / Basel.

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